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Zu spät: Wenn Wichtiges dringend wird

Eine Führungskraft erfährt bei Abgabe einer mangelhaften Arbeit ihres Mitarbeiters, der lange Zeit im Homeoffice an einem Konzept gefeilt hat, dass ihm zentrale Hintergründe für die Aufgabenstellung nicht klar waren. Ein Vertriebler erfährt, dass sich ein langjähriger Kunde für den Wettbewerber entschieden hat, weil er schon länger mit der Betreuungsqualität unzufrieden war. Der Personaler erfährt vom leistungsstarken Mitarbeiter im Ausstiegsgespräch, dass er sich schon lange vor seiner Kündigung zu wenig wertgeschätzt fühlte. In allen diesen Fällen war – um mit den Begriffen aus dem Zeit- und Selbstmanagement – zu sprechen, lange Zeit etwas wichtig, ohne dringend zu sein. Und jetzt, wo es auch dringend wird, ist der Schaden bereits so groß, dass er sich nur mit großem Aufwand oder gar nicht mehr korrigieren lässt. Wenn eine Unzufriedenheit erst lange Zeit nach dem Zeitpunkt sichtbar wird, an dem sie erstmalig auftrat, ist das fast immer ein großes Problem.

Bleibt eine vorherrschende Unzufriedenheit über längere Zeit unerkannt, ist dies aus mehreren Gründen für uns ganz besonders bitter: 

  1. Wenn jemand mit einer Sache unzufrieden ist, wird es diesen Aspekt stärker fokussieren und verstärkt nach Belegen für diese Unzufriedenheit suchen, wobei mildernde Umstände oder Indizien, die gegen eine Unzufriedenheit sprechen, tendenziell ausgeblendet werden (Confirmation Bias). Dadurch hat sich seine Unzufriedenheit noch weiter verstärkt.
  2. Die Gründe für die Unzufriedenheit des Mitarbeiters oder Kunden mögen zu einem erheblichen Teil außerhalb der Sphäre liegen, welche wir beeinflussen können. Wäre er sich dessen bewusst, würde sich die Unzufriedenheit zumindest teilweise verflüchtigen.  
  3. Wir können die Vergangenheit nicht ändern.

Oft nichtssagend: Feedback

Weil es so gravierend negativ sein kann, wenn eine Unzufriedenheit nicht möglichst frühzeitig sichtbar wird, ist die Strategie, regelmäßig und auch ohne negativen Anlass Feedback einzuholen sinnvoll. Dies tun auch viele Führungskräfte, Mitarbeiter, Vertriebler und Personaler. Aber wer kennt es nicht? Man fragt einen Mitarbeiter oder einen Kunden, ob er mit einer Sache, einer Dienstleistung oder uns zufrieden sei, und bekommt eine positive Aussage. Im Nachhinein aber wird deutlich, dass diese positive Aussage nicht der Realität entsprochen haben kann, weil Vorwürfe oder eine Kunden- oder Mitarbeiterbefragung ein ganz anderes Bild offenbaren. Feedback einzuholen ist eine sinnvolle Strategie, Unzufriedenheit frühzeitig sichtbar zu machen, nur leider führt sie oft nicht zu dem gewünschten Resultat. 

Der Grund, warum in einem Feedback eine Unzufriedenheit unsichtbar bleibt, liegt oftmals in der Wahl von suboptimalen Instrumenten – Instrumenten, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, die wahre Situation nicht ans Licht bringen. Wenn ich etwa frage, ob jemand mit mir, einer Dienstleistung, dem Grad an Betreuung, etc. zufrieden ist, dann werde ich vielleicht ein „Ja“ hören. Doch dieses „Ja“ garantiert natürlich nicht, dass dies auch tatsächlich der Fall ist. Nun ist vielen bewusst, dass offene Fragen hier günstiger sind als geschlossene, erlauben doch offene Fragen kein einfaches „Ja“ oder „Nein“ als Antwort. Aber auch bei einer offenen Frage erhalten wir oftmals kein offenes und vor allem kein realistisch kritisches Feedback: „Passt schon!“ mag hier ein Beispiel sein für die schier unendliche Zahl von Varianten, mit denen der Feedbackgeber entgegen der unausgesprochenen, kritischeren Sicht eine vage allgemeine Zufriedenheit zum Ausdruck bringt.

Dass Versuche, ehrliches Feedback einzuholen, scheitern, ist z.B. in Zeiten der Corona-Krise, in welcher die Kanäle und die Häufigkeit des Feedbacks stark eingeschränkt sind, um so dramatischer: Wenn seltener und kürzer und dies vorwiegend über elektronische Medien kommuniziert wird, sinkt die Chance, dass auf anderem Wege oder bei einer anderen Gelegenheit, eine Unzufriedenheit oder ganz allgemein ein Problem rechtzeitig zu Tage tritt.

Aus diesem Grund präsentiere ich Ihnen nachfolgend eine Reihe von Fragen, die Ihnen nicht bloß zu erkennen geben, wie Ihr Gegenüber eine Sache tatsächlich einschätzt, sondern auch, wo genau er Verbesserungsmöglichkeiten sieht. Diese Fragen sind darüber hinaus geeignet, die Zufriedenheit mit Ihnen und Ihrer Leistung zu erhöhen und den anderen zu motivieren, sich proaktiv bei Ihnen zu melden, wenn er in Zukunft ein Problem sieht.  

Fragen für aussagekräftiges Feedback und zur Verbesserung der Zufriedenheit

  1. Wie zufrieden sind Sie mit x (z.B. der Betreuungsqualität, der Art unseres Austauschs, der Menge an Informationen, dem Feedback durch mich, etc.) auf einer Skala 1 = „total unzufrieden“ bis 10 = „absolut zufrieden“?
  2. Was kann ich tun, damit daraus ein höherer Wert wird? 
    • Bei Antworten wie „Nichts“: Höre ich richtig heraus, dass Sie aktuell– zumindest mit meinem Tun – insgesamt zufrieden sind? (Bei „Nein“: Weiter mit b)
    • Bei konkreten Anregungen: 
      • Nachbesserungen anbieten 
      • Verbesserungen aushandeln z.B. durch Angebote, die auch vom Gegenüber Zugeständnisse erfordern
      • Aufzeigen des eigenen Einflussbereichs
  3. Würden Sie mich sofort anrufen, sollte Sie mal mit etwas unzufrieden sein?

Auf die erste Frage, eine Skalierungsfrage, liefert – abgesehen von „10“ – jede Antwort den Steigbügel für Frage 2 und damit ein Gespräch über Aspekte, die sich noch verbessern ließen. Eventuell macht sich der Angesprochene bewusst, dass die Punkte, die ihm verbesserungswürdig erschienen, gar nicht im Machtbereich des Fragenden liegen oder doch gar nicht so übel sind. Dann ist eine geschlossene Folgefrage „Sie sind also insgesamt zufrieden?“ sehr sinnvoll. Diese Nachfrage ruft etwaige Vorbehalte nun doch noch auf den Plan oder entlockt dem anderen ein Commitment. Im ersteren Fall werden wir genauso wie, wenn der Feedbackgeber gleich seine Anregungen für eine Verbesserung vorgetragen hätte, auf dessen Bemerkungen konstruktiv reagieren. Dazu erläutern wir entweder, was wir verbessern werden, wir unterbreiten ein Angebot, wie eine Verbesserung durch unser und sein Zutun erreicht werden könnte, oder aber wir illustrieren, warum die Defizite außerhalb unseres Einflussbereichs liegen. 

Wenn nun der Angesprochene auf die Frage, ob er insgesamt zufrieden sei, stattdessen mit „Ja“ antwortet, wäre er inkonsistent, wenn er dem Sprecher noch etwas im Hinblick auf das Thema übelnehmen würde. Und damit dieses nicht nur für die Vergangenheit greift, sondern auch für die Zukunft, wird das Commitment mit Frage 3 noch erweitert. Die vermutlich positive Antwort auf Frage 3 erhöht zum einen die Wahrscheinlichkeit, dass der Feedbackgeber, sollte er mit etwas in Zukunft unzufrieden sein, sich zeitnah meldet, so dass ein Problem gelöst werden kann, bevor ein größerer Schaden entsteht. Zum anderen sorgt die positive Antwort auf Frage 3 dafür, dass sich der Feedbackgeber, selbst vergewissert, dass er zufrieden ist, schließlich hat er kein Problem benannt – ein Phänomen, dass in der Psychologie „kognitive Dissonanzreduktion“ genannt wird. 

Und damit kehrt sich eine unheilvolle Wirkungskette ins Positive um: Normalerweise sprechen Menschen nicht an, wenn sie mit einer kleineren Sache unzufrieden sind, ärgern sich aber immer stärker über diesen Aspekt, womit sich die Unzufriedenheit in der Folge steigert. Durch das Commitment, wir melden uns, wenn wir unzufrieden sind, hingegen werden wir entweder unsere kleinere Unzufriedenheit gleich artikulieren und somit die Chance eröffnen, das noch kleine Problem frühzeitig aus der Welt zu schaffen, oder aber wir überzeugen uns selbst davon, dass dieses Problem nicht so groß ist – und die Unzufriedenheit löst sich dort auf, wo sie entstanden ist – in unserem Kopf!

Sie haben eigene positive oder negative Erfahrungen, Feedback einzuholen? Sie haben meine Vorschläge probiert? Dann schreiben Sie doch gerne einen Kommentar zu diesem Artikel. Sie wünschen sich für Ihre Gespräche in Form eines Coachings – auch telefonisch und online – ganz individuelle Unterstützung? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf. 

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